FRÜHJAHRESSITUATION
Wissenswertes und Hilfsmittel
Vorweg ist wichtig zu wissen, was überhaupt für eine Schneebeschaffenheit vorherrscht. Gab es Neuschnee, oder sind bereits Frühjahresverhältnisse mitsamt Harschdeckel, „Firn“ und tageszeitlichem Anstieg der Lawinengefahr vorhanden? oder befinden wir uns sogar schon im Endstadion mit sommerfestem Schnee, wo die Lawinengefahr nicht mehr ansteigt? Je nachdem muss die Planung angepasst werden!
Beispiel 1: Neuschnee auf durchfeuchteter Schneedecke aus Schmelzformen.
Kommt auf einer nassen und warmen Schneeoberfläche Neuschnee zu liegen bevor sie abstrahlen und somit gefrieren kann, wird sie durch den Neuschnee isoliert. Der benötigte Energieaustausch mit der Atmosphäre findet nicht mehr ausreichend statt und es kann sich kein Harschdeckel bilden. Der Neuschnee liegt dann auf dem feuchten Schmelzformen/Sulz. Ein Einbrechen in die Schneedecke bis zum Bauchnabel -wie wenn man das Zeitfenster bei der tageszeitlichen Erwärmung überzogen hat- kann hier schon früh morgens der Fall sein. Die Lawinengefahr ist unter Umständen auch schon zu früher Stunde kritisch.
Andererseits fällt Neuschnee, gern bei einer Kaltfront, und die kalten Temperaturen können einer schnellen Durchfeuchtung entgegen wirken. Bei genügend Neuschnee ist dennoch meist mit Lockerschneelawinen aus besonntem, steilem Gelände zu rechnen.
Die Abstrahlung (Energieaustausch) findet nun an der neuen Schneeoberfläche (Neuschnee) statt. Bei klaren Nächten und trockener Luft kann sie stark auskühlen und die Kristalle wandeln sich aufbauend um -> „Pulver“ hält sich länger! Zudem kann dann ein großer Temperaturunterschied an oberflächennahen Schichten entstehen, der die Schwachschichtenbildung begünstigt.
Kann die feuchte Schneeoberfläche vor dem Einsetzen des Niederschlages abstrahlen und sich ein brauchbarer Harschdeckel ausbilden, kommt der Neuschnee auf einem großteils gleichmäßigem Harschdeckel zu liegen. Das eignet sich gut zum Schifahren, aber leider nur solange bis der Neuschnee wieder feucht wird.
Beispiel 2: Die klassische Frühjahressituation – Harschdeckel + Skifahrerfirn.
Von der klassischen Frühjahressituation spricht man, kurz gesagt, wenn die Schneedecke durch Sonneneinstrahlung und warmen Temperaturen immer weiter durchfeuchtet wird, sich dadurch Schmelzformen bilden und in den Nächten die Schneeoberfläche wieder gefriert.
Hier findet der Prozess von flüssig (Schmelzwasser) zu fest (Eis, Harschdeckel) statt. Unter Tags wird die Schneedecke erwärmt (0°C) und fängt an zu schmelzen, während sie in der Nacht abstrahlt (Energieaustausch), dadurch stark auskühlt und in Folge wieder gefriert. Durch diesen Prozess entsteht ein Schmelzharschdeckel, der von Tag zu Tag dicker werden kann, wenn die Bedingungen dafür gegeben sind. Wie dick der Harschdeckel ausgeprägt ist und welche Wetterbedingungen vorherrschen, bestimmt, wie lang man unterwegs sein kann bis der Harschdeckel wieder vollständig aufgeweicht ist, man einbricht und die Gefahr von Nassschnee oder Grundlawinen rasant ansteigt.
Mehr zur Schmelzumwandlung findet in diesem Gestöber.
Messstationen
Anhand von Messstationen kann man die für uns relevante Parameter Lufttemperatur, Schneeoberflächentemperatur, relative Luftfeuchte und Taupunkt, Globalstrahlung und Wind abrufen.
Hier muss ich etwas ausholen, um zu erklären, worum es überhaupt geht:
Wenn Schnee verdunstet (flüssig zu gasförmig) oder sublimiert (fest zu gasförmig) wird Energie benötigt, wodurch Wärme an die Atmosphäre abgegeben wird und die Schneeoberfläche abkühlt. Einfach ausgedrückt: Wenn Wasser oder Eis zu Wasserdampf wird, findet ein Energieaustausch mit der Atmosphäre/Luft statt, wodurch Ihr Wärme entzogen und sie gekühlt wird. Dies geschieht nicht nur in klaren Nächten, sondern auch unter Tags bei trockener Luft, bei Wind, der die Schneeoberfläche durch Verdunstung kühlen kann und sogar bei Lufttemperaturen oberhalb des Schmelzpunktes (0°C), wenn andere Faktoren dazu passen. Wie man sieht, ist das ganze im Detail recht komplex. Viele verschiedene Faktoren bestimmen, wie und warum sich ein Harschdeckel bildet und wie stark sich dieser ausprägt, oder wie schnell und ob es überhaupt „auffirnt“. Messstationen helfen uns somit auch nur, wenn wir mehrere Parameter kombinieren. Einer allein gibt noch keine gute Auskunft zu den Verhältnissen.
Negativ für die Harschdeckelbildung:
Ø Ist es in der Nacht bewölkt oder bedeckt, dämmt das die Abstrahlung und somit die Abkühlung der Schneedecke ein. Dann bildet sich kein oder nur ein geringmächtiger Harschdeckel aus.
Ø Je höher die Luftfeuchtigkeit (je näher der Taupunkt an der Lufttemperatur liegt), desto weniger kann die Schneedecke auskühlen. Sie weicht schneller auf oder gefriert erst gar nicht.
Ø Ziehen unter Tags immer wieder Wolkenfelder durch, wird ebenfalls die Abstrahlung eingeschränkt und die Schneedecke weicht schneller auf. Hier gibt die Globalstrahlungskurve Hinweise:
Positives für die Ausbildung eines Harschdeckels und die Eindämmung der Durchfeuchtung der Schneedecke:
Ø Verdunsten und Sublimation kühlt die Schneedecke- diese Prozesse werden für die Harschdeckelbildung benötigt! Findet statt bei klaren Nächten, trockener Luft, kalten Temperaturen,….
Ø Je kälter die Lufttemperatur, umso geringer die Durchfeuchtung
Ø Trockene Luft begünstigt die Verdunstung und Sublimation, verlangsamt die Erwärmung der Schneedecke und kann das „Auffirnen“ sogar ganz verhindern. Zudem bildet sich ein Harschdeckel schneller und besser aus. Bei extrem trockener Luft kann sich ein Harschdeckel noch bei, pi mal Daumen + 5°C (Lufttemperatur) ausbilden. Beispiel Messstation: Lufttemperatur ist auf +4°C, Taupunkt bei -25°C, die Linie der Lufttemperatur und des Taupunkts liegen weit auseinander. Es ist zwar warm und die Sonne scheint, dennoch ist die Luft extrem trocken und die Schneeoberfläche wird den ganzen Tag über gekühlt.
Ø Wind kann im Frühjahr zur Abwechslung mal nützlich sein, denn er kühlt die Schneedecke durch Verdunstung etwas. Es entsteht eine hauchdünne Eisschicht auf der Schneeoberfläche, auch bekannt als Firnspiegel. Anhand von Messstationsgrafiken kann die Windstärke und die Windrichtung abgelesen werden.
Hier sehen wir Windgeschwindigkeit, Windböen und Windrichtung. Vor allem für die Bildung von Treibschnee interessant! |
Lawinenlagebericht
Weißt auf die tageszeitliche Erwärmung hin.Wetterbericht
- Gibt uns eine Vorhersage über Lufttemperatur
- Niederschlag
- Bewölkung
- Ob feuchte oder trockene Luftmassen herein strömen
- Teilweise wird auch erwähnt, ob die folge Nacht klar ist oder nicht.
Es empfiehlt sich ein Bergwetterbericht, wie ihn beispielsweise der Alpenverein anbietet, der speziell auf diese Faktoren eingeht.
Foto-webcam.eu
Hier kann man im Archiv die ganze Nacht durchstöbern und checken, ob sie klar oder bedeckt war.
Eine klare Nacht begünstigt die Abstrahlung und ein Harschdeckel bildet sich aus. War sie bedeckt, legt man sich besser wieder schlafen, die Harschdeckelbildung ist dann gleich null und die Lawinengefahr ist bereits in der Früh hoch.
Sommerfester Schnee:
Wenn der Schnee Sommerfest ist, gehen viele gar nicht mehr auf Skitour. Die charakteristische, buckelig- gewellte Schneeoberfläche eignet sich eher suboptimal zum Schifahren. In meinen Worten: „Waschrumpl Skifohrn“. Dafür gibt es kein Einbrechen in die Schneedecke mehr und auch keinen zeitlichen Anstieg der Lawinengefahr.
Sommerfester Schnee |
Ein Blick auf Messstationen, Foto-webcam, Lawinenlagebericht, Geländekarten lohnt sich allemal und ist unersetzlich für eine gute Tourenplanung.
Herzlichen Dank für Deine Erläuterungen bezüglich Taupunkt, Oberflächen- und Lufttemperatur. Again what learned :-) Je niedriger der Taupunkt angegeben ist, umso trockener die Luft. Endlich mal halbwegs verstanden. Liebe Grüße Robert
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