Schneeprofilbesprechung
Giftige Schwachschichten im Altschnee
Eine Lawinenreiche Zeit liegt hinter uns. Das
Altschneeproblem, das für viele der Lawinen in den letzten Wochen verantwortlich
war, bleibt uns leider auch weiterhin erhalten.
Ende Jänner herrschte eine Schönwetterphase mit trockener Luft und guter nächtlichen Abstrahlung. Die Schneeoberfläche kühlte stark aus und es wurden Schneeoberflächentemperaturen bis unter -20°C gemessen. An oberflächennahen Schichten entstand ein großer Temperaturunterschied, der die aufbauende Umwandlung anständig werkeln lies. Es entwickelten sich kantige Kristalle und die Schneeoberfläche wurde zunehmend lockerer. Auch Oberflächenreif war recht flächig vorhanden, vor allem im Waldbereich.
Begleitet wurden die Schönwettertage teilweise schon vom
Wind, der um den 27.1. wieder stark bis stürmisch auflebte. Er fegte Rücken und
Kämme frei, wirbelte die lockere Schneeoberfläche sowie Oberflächenreif auf und
legte sie als störanfälligen Triebschnee im Lee wieder ab. Dies hatte einen
Vorteil: der Oberflächenreif oberhalb der Waldgrenze wurde zum Teil vom Wind
zerstört.
Außerdem bildete sich am 23.01. durch gefrierenden Hochnebel
an der damaligen Schneeoberfläche eine dünne, aber flächig vorhandene Kruste. In
den Folgetagen entstand unter der Kruste eine giftige Schwachschicht aus
kantigen Kristallen. Zudem ist durchaus möglich, dass sich am 28.01. mit Einsetzen
des Niederschlages und dem damit einhergehenden Temperaturabsturz zusätzlich
ein Gefahrenmuster 4 –kalt auf warm- gebildet hat. Beides (Schwachschicht an
Kruste und GM4) ist für eine recht flächige und großräumige Ausprägung bekannt.
In Kombination mit einem passenden Brett ergeben sich Fernsauslösungen und
große Bruchausbreitung.
Zum Glück war die Schneevariabilität vor den Niederschlägen
hoch, denn sonst wären die gebildeten Schwachschichten noch flächiger vorhanden
und Lawinen wären vermutlich noch größer ausgefallen.
Variable Schneehöhe und -beschaffenheit vor den Niederschlägen |
Am 28.1. waren die Niederschlagssummen recht gering, aber genug, dass sich oberflächennah ein weiterer Temperaturunterschied bilden konnte. Die Schwachschichten rund um die Kruste haben sich weiter ausgeprägt. Am 31.1. bis 3.2. in der Früh brachte uns Frau Holle, oder doch die NW Strömung, reichlich vom weißen Gold, zugleich aber das bis dato noch fehlende Brett für Schneebrettlawinen. Da die Niederschläge sehr stürmisch ausfielen, bildete sich großräumig frischer und störanfälliger Triebschnee. In den niederschlagsreichen Regionen herrschte zudem ein Neuschneeproblem.
lässige Schwünge im lawinensicheren Gelände |
Mit Start der Schönwettertage stiegen auch die Temperaturen
an, die eine Bindung des Schneebrettes
begünstigten und für eine gute Bruchausbreitung sorgten. Eine perfekte
Konstellation aus Schwachschicht und Brett wurde geschaffen. Die Anzahl der
Lawinenabgänge in den 3 Tagen war beachtlich und zugleich erschreckend!! Es
erweckte den Anschein als würde der ganze Winter nur aus diesen drei
Powdertagen bestehen. Der Winter ist lang und nur wenige Tage fordern absolute
Zurückhaltung, aber mit solch einer Konstellation (Altschneeproblem) ist nicht
gut Kirschen essen!
Schneeprofilbesprechung
Profil 1:
Das Schneeprofil wurde am 08.02.2022 auf einer Höhe von 1800m, in einem NO exponierten, 20 Grad steilen Hang aufgenommen. Der Profilstandort ist in einem eher windgeschützen Bereich.
Hellblau:
Die drei unteren Schichten stammen von den Niederschlägen von
Anfang November bis Ende Dezember 2021. Sie bestehen aus recht großen
Tiefenreifkristallen, die man gut an ihren Facetten erkennen kann. Die Ecken
und Kanten der Kristalle sind bereits abgerundet, was ein Indiz für die
abbauende Umwandlung ist. Weiteres befinden sich gefrorenen Wassersäulen in den
Schneeschichten, die eine stabilisierende Wirkung haben. Einerseits werden die lockeren
Schichten dadurch ungleichmäßig und andererseits werden die Kristalle dort, wo
die Säulen sind, verfestigt.
Gefrorene Wassersäulen |
Orange:
Ist eine dünne Schicht aus 1 - 2,5 mm großen Tiefenreifkristallen,
mit abgerundeten Ecken und Kanten. Mit einer Härte von 1 (Faust) ist sie sehr
weich und würde sich durchaus noch als Schwachschicht eignen. Da sich darüber
aber noch eine dicke, lockere Schicht (gelb) aus kantigen Kristallen befindet,
wird die Eindringtiefe etwas reduziert.
Violett:
Bei der Schmelzkruste aus kantig- abgerundeten Kristallen
handelt es sich um die Regenkruste vom 29./30.12.21. Mit einer Härte von 3-4
(ein Finger – Bleistift), ist sie auf der weicheren Seite für eine Kruste und
von der Unterseite wird sie bereits etwas aufgefressen.
Gelb:
Der Übeltäter der Schneedecke.
Eine 13 cm dicke, sehr lockere Schicht aus kantigen
Kristallen, mit einer Größe von 0,5 - 1 mm. Das zweite Symbol „kantig
abgerundet“ dient hauptsächlich der Genauigkeit: einige Kristalle sind
abgerundet, voranging handelt es sich aber um kantige Kristalle.
Diese Schicht bildet die alte Schneeoberfläche vor den Schneefällen
Ende Jänner - Anfang Feber. Die damalige Oberfläche wurde in der
Schönwetterphase samt klaren Nächten stark gekühlt und aufbauend umgewandelt,
wodurch sich die kantigen Kristalle gebildet haben.
Hier konnte ein ECTP 1 erzielt werden, das heißt: beim
ersten Schlag aus dem Handgelenk wurde ein Bruch in der Schwachschicht
initiiert und pflanzte sich über den ganzen Block fort. Das deutet auf eine
große Störanfälligkeit der Schwachschicht, in Kombination mit dem darüber
liegendem Brett. Am Profilstandort stellt die schwache Schneedecke allerdings
keine Gefahr dar, da es hier weitgehend unter 30 Grad steil ist.
Grün:
Das Brett. Gebundener Schnee aus Neuschnee, Filz und/oder
runden Körnern.
Die Schichten stammen von den Niederschlägen vom 28.1.2022, sowie
von den Starkschneefälle vom 31.1. - 3.2.
Profil 2 + 3:
Zeigen die Kruste, die durch den gefrierenden Hochnebel am
23.1. entstanden ist und die darunter liegenden kantigen Kristalle, welche hier
die hauptsächliche Schwachschicht bilden.
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