Frühjahressituation: Wissenswertes und Hilfsmittel
Waschrumpl Skifohrn und andere Frühlingsvergnügen.
Die
Skitourensaison ist für viele noch lange nicht vorbei, dennoch begeben wir
Schneestöberer uns mit dem heutigem Gestöber in die Schreibpause und genießen die
hoffentlich guten Verhältnisse im April und Mai.
Wetterverlauf der letzten Wochen:
Nach den ergiebigen
Niederschlägen Mitte März marschierte der Frühling mit voller Kraft herbei und
lies die Temperaturen im Inntal zum Teil auf über 20°C rauf hüpften. Bis sich ein
brauchbarer Harschdeckel und somit auch „Firn“ ausbilden konnte, dauerte es allerdings
ein paar Tage, denn der kalte Neuschnee benötigte seine Zeit, bis er sich
umgewandelt hatte. Somit waren zuerst wechselnde Verhältnisse vorzufinden: Nordseitig
fand man meist noch Pulver, dieser war allerdings ist sehr steilen,
nordexponiertem Gelände mit Vorsicht zu genießen. In diesen Bereichen konnten vereinzelt
Lawinen in tieferen Altschneeschichten und oberflächennahen Schwachschichten
ausgelöst werden. Auch der Triebschnee (im letzten Gestöber besprochen),
brauchte eine Weile bis er sich mit der Altschneedecke verbinden und somit
stabilisieren konnte.
Leider kam man nur
wenige Tage in das Vergnügen von tollen Firnabfahrten, denn Anfang April
rauschte die nächste Kaltfront mit weiteren Niederschlägen herein, sogar samt
kosmetischem Anzuckerer im Tal. Wieder hieß es: bei schönen Wetter warten bis
sich ein Harschdeckel und Firn bildet.
Der Neuschnee ab dem 6.4. fiel bei teils unter -10°C auf eine zuvor warme und in besonnten Gelände feuchte Schneeoberfläche, wodurch auf wenigen Millimetern ein großer Temperaturunterschied entstand. Im Grenzbereich der alten, nassen Schneeoberfläche und dem kalten Neuschnee hat sich den Folgetagen eine Kruste und durch die aufbauende Umwandlung anschließend auch eine Schwachschicht gebildet (Gefahrenmuster 4).
Weiteres Isoliert der Neuschnee die nasse, alte Schneeoberfläche, wodurch sich kein Frühjahres-Harschdeckel mehr bilden konnte und es somit vorübergehend auch keinen „Firn“ gab. Dafür aber etwas Pulver! Je nachdem, wieviel Neuschnee gefallen ist, wie warm die Temperaturen und wie trocken oder feucht die Luft in den Tagen nach dem Schneefall war, wird die Schneeoberfläche/decke nun schneller oder eben langsamer durchfeuchtet und wieder in Schmelzformen umgewandelt, bis wieder die klassische Frühjahressituation vorherrscht.
Bei den Schneedeckenuntersuchungen konnte man bereits kantige Kristalle, ein Resultat der aufbauende Umwandlung durch das angesprochene Gefahrenmuster 4 (kalt auf warm - warm auf kalt) erkennen.
Wissenswertes und Hilfsmittel im Frühjahr:
Vorweg ist
wichtig zu wissen, was überhaupt für eine Schneebeschaffenheit vorherrscht. Gab
es Neuschnee, oder sind bereits Frühjahresverhältnisse mitsamt Harschdeckel, „Firn“
und tageszeitlichem Anstieg der Lawinengefahr vorhanden? oder befinden wir uns
sogar schon im Endstadion mit sommerfestem Schnee, wo die Lawinengefahr nicht
mehr ansteigt??? Je nachdem muss die Planung angepasst werden!
Beispiel 1: Neuschnee auf durchfeuchteter Schneedecke aus Schmelzformen.
Kommt auf einer nassen und warmen Schneeoberfläche Neuschnee zu liegen bevor sie abstrahlen und somit gefrieren kann, wird sie durch den Neuschnee isoliert. Der benötigte Energieaustausch mit der Atmosphäre findet nicht mehr ausreichend statt und es kann sich kein Harschdeckel bilden. Der Neuschnee liegt dann auf dem feuchten Schmelzformen/Sulz. Ein Einbrechen in die Schneedecke bis zum Bauchnabel -wie wenn man das Zeitfenster bei der tageszeitlichen Erwärmung überzogen hat- kann hier schon früh morgens der Fall sein. Die Lawinengefahr ist unter Umständen auch schon früher Sunde kritisch.
Andererseits
fällt Neuschnee, wie auch diese Woche, gern bei einer Kaltfront, und die kalten
Temperaturen können einer schnellen Durchfeuchtung entgegen wirken. Bei
genügend Neuschnee ist dennoch meist mit Lockerschneelawinen aus besonntem,
steilem Gelände zu rechnen.
Die Abstrahlung
(Energieaustausch) findet nun an der neuen Schneeoberfläche (Neuschnee) statt.
Bei klaren Nächten und trockener Luft kann sie stark auskühlen und die
Kristalle wandeln sich aufbauend um -> „Pulver“ hält sich länger! Zudem kann
dann ein großer Temperaturunterschied an oberflächennahen Schichten entstehen,
der die Schwachschichtenbildung begünstigt.
Kann die feuchte Schneeoberfläche
vor dem Einsetzen des Niederschlages abstrahlen und sich ein brauchbarer Harschdeckel
ausbilden, kommt der Neuschnee auf einem großteils gleichmäßigem Harschdeckel
zu liegen. Das eignet sich gut zum Schifahren, aber leider nur solange bis der Neuschnee
wieder feucht wird.
Beispiel 2: Die klassische Frühjahressituation – Harschdeckel + firn.
Von der klassischen Frühjahressituation spricht man, kurz gesagt, wenn die Schneedecke durch Sonneneinstrahlung und warmen Temperaturen immer weiter durchfeuchtet wird, sich dadurch Schmelzformen bilden und in den Nächten die Schneeoberfläche wieder gefriert.
Hier findet der
Prozess von flüssig (Schmelzwasser)
zu fest (Eis, Harschdeckel) statt.
Unter Tags wird die Schneedecke erwärmt (0°C) und fängt an zu schmelzen,
während sie in der Nacht abstrahlt (Energieaustausch), dadurch stark auskühlt
und in Folge wieder gefriert. Durch diesen Prozess entsteht ein
Schmelzharschdeckel, der von Tag zu Tag dicker werden kann, wenn die
Bedingungen dafür gegeben sind. Wie dick der Harschdeckel ausgeprägt ist und
welche Wetterbedingungen vorherrschen, bestimmt, wie lang man unterwegs sein
kann bis der Harschdeckel wieder vollständig aufgeweicht ist, man einbricht und
die Gefahr von Nassschnee oder Grundlawinen rasant ansteigt.
Mehr zur Schmelzumwandlung findet in diesem Gestöber.
Messstationen
Anhand von
Messstationen kann man die für uns relevante Parameter Lufttemperatur,
Schneeoberflächentemperatur, relative Luftfeuchte und Taupunkt, Globalstrahlung
und Wind abrufen.
Hier muss ich
etwas ausholen, um zu erklären, worum es überhaupt geht:
Wenn Schnee
verdunstet (flüssig zu gasförmig) oder sublimiert (fest zu gasförmig) wird Energie
benötigt, wodurch Wärme an die Atmosphäre abgegeben wird und die
Schneeoberfläche abkühlt. Einfach ausgedrückt: Wenn Wasser oder Eis zu Wasserdampf
wird, findet ein Energieaustausch mit der Atmosphäre/Luft statt, wodurch Ihr Wärme
entzogen und sie gekühlt wird. Dies geschieht nicht nur in klaren Nächten,
sondern auch unter Tags bei trockener Luft, bei Wind, der die Schneeoberfläche
durch Verdunstung kühlen kann und sogar bei Lufttemperaturen oberhalb des
Schmelzpunktes (0°C), wenn andere Faktoren dazu passen. Wie man sieht, ist das
ganze im Detail recht komplex. Viele verschiedene Faktoren bestimmen, wie und
warum sich ein Harschdeckel bildet und wie stark sich dieser ausprägt, oder wie
schnell und ob es überhaupt „auffirnt“. Messstationen helfen uns somit auch nur,
wenn wir mehrere Parameter kombinieren. Einer allein gibt noch keine gute Auskunft
zu den Verhältnissen.
Negativ für die Harschdeckelbildung:
Ø Ist es in der Nacht bewölkt oder bedeckt, dämmt das die Abstrahlung und somit die Abkühlung der Schneedecke ein. Dann bildet sich kein oder nur ein geringmächtiger Harschdeckel aus.
Ø Je höher die Luftfeuchtigkeit (je näher der Taupunkt an der Lufttemperatur liegt), desto weniger kann die Schneedecke auskühlen. Sie weicht schneller auf oder gefriert erst gar nicht.
Ø Ziehen unter Tags immer wieder Wolkenfelder durch, wird ebenfalls die Abstrahlung eingeschränkt und die Schneedecke weicht schneller auf. Hier gibt die Globalstrahlungskurve Hinweise:
- Eine hohe, runde und glatte Kurve zeigt einen wolkenlosen, schönen Tag
- Eine niedere, ausgefranzte Kurve, dass Wolken durchgezogen sind
- Ist sie flach/nieder war es komplett bedeckt.
Positives für die Ausbildung eines Harschdeckels und die Eindämmung der Durchfeuchtung der Schneedecke:
Ø Verdunsten und Sublimation kühlt die Schneedecke- diese Prozesse werden für die Harschdeckelbildung benötigt! Findet statt bei klaren Nächten, trockener Luft, kalten Temperaturen,….
Ø Je kälter die Lufttemperatur, umso geringer die Durchfeuchtung
Ø Trockene Luft begünstigt die Verdunstung und Sublimation, verlangsamt die Erwärmung der Schneedecke und kann das „Auffirnen“ sogar ganz verhindern. Zudem bildet sich ein Harschdeckel schneller und besser aus. Bei extrem trockener Luft kann sich ein Harschdeckel noch bei, pi mal Daumen + 5°C (Lufttemperatur) ausbilden. Beispiel Messstation: Lufttemperatur ist auf +4°C, Taupunkt bei -25°C, die Linie der Lufttemperatur und des Taupunkts liegen weit auseinander. Es ist zwar warm und die Sonne scheint, dennoch ist die Luft extrem trocken und die Schneeoberfläche wird den ganzen Tag über gekühlt.
Ø Wind kann im Frühjahr zur Abwechslung mal nützlich sein, denn er kühlt die Schneedecke durch Verdunstung etwas. Es entsteht eine hauchdünne Eisschicht auf der Schneeoberfläche, auch bekannt als Firnspiegel. Anhand von Messstationsgrafiken kann die Windstärke und die Windrichtung abgelesen werden.
Hier sehen wir Windgeschwindigkeit, Windböen und Windrichtung. Vor allem für die Bildung von Treibschnee interessant!
Lawinenlagebericht
- Weißt auf die Tageszeitliche Erwärmung hin
- Klärt über vorhandene Schwachschichten auf, die durch eine
- Durchfeuchtung wieder aktiviert werden können.
- Gibt Infos zu sonstigen Gefahrenstellen
- Und erwähnt auch immer wieder, ob sich ein Harschdeckel ausbildet oder nicht
Wetterbericht
- Gibt uns eine Vorhersage über Lufttemperatur
- Niederschlag
- Bewölkung
- Ob feuchte oder trockene Luftmassen herein strömen
- Teilweise wird auch erwähnt, ob die folge Nacht klar ist oder nicht.
Es empfiehlt sich ein Bergwetterbericht, wie ihn beispielsweise der
Alpenverein anbietet, der speziell auf diese Faktoren eingeht.
Foto-webcam.eu
Hier kann man im
Archiv die ganze Nacht durchstöbern und checken, ob sie klar oder bedeckt war.
Eine klare Nacht
begünstigt die Abstrahlung und ein Harschdeckel bildet sich aus. War sie
bedeckt, legt man sich besser wieder schlafen, die Harschdeckelbildung ist dann
gleich null und die Lawinengefahr ist bereits in der Früh hoch.
Sommerfester Schnee:
Wenn der Schnee Sommerfest ist, gehen viele gar nicht mehr auf Skitour. Die charakteristische, buckelig- gewellte Schneeoberfläche eignet sich eher suboptimal zum Schifahren. In meinen Worten: „Waschrumpl skifohrn“. Dafür gibt es kein Einbrechen in die Schneedecke mehr und auch keinen zeitlichen Anstieg der Lawinengefahr.
Ein Blick auf
Messstationen, Foto-webcam, Lawinenlagebericht, Geländekarten lohnt sich
allemal und ist unersetzlich für eine gute Tourenplanung.
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