Gefahrenmuster 4:
Eine tückische Schwachschicht
Was ist das Gefahrenmuster 4 und welche Prozesse passieren in der Schneedecke:
Frühjahr im Tal, Pulvertraum in der Höhe :-) |
Das Gefahrenmuster 4 tritt auf, wenn ein
großer Temperaturunterschied (mehr als 5°C)
während des Einschneiens bzw. auch zwischen der Schneeoberfläche und dem
Neuschnee entsteht.
Wie es der Name schon sagt, kann es in beiden Temperaturrichtungen entstehen, egal ob es
kalt auf eine warme Oberfläche schneit, oder umgekehrt.
Durch den entstandenen Temperaturunterschied
innerhalb weniger Zentimeter in der Schneedecke wird die aufbauende Umwandlung
begünstigt. Es können sich in der Folge dünne kantige Schichten bilden, die überwiegend
flächig vorhanden sind. Die angehende Schwachschicht kann sich in allen
Expositionen bilden, ist aber vermehrt in sonnenexponiertem Gelände zu finden,
wie es im Winter 2018-2019 der Fall war.
Weiteres bilden sich die kantigen Kristalle
nicht sofort während oder nach dem Schneefall, sondern erst in den darauf
folgenden Tagen. Wann und wie stark sich die Schwachschicht bildet, zeigt sich
mit der Zeit.
In Kombination mit dem gm. 4 entsteht meist
auch eine Schmelzharschschicht. Entweder wird eine relativ warme
Schneeoberfläche durch einen Temperaturabfall verharscht, oder eine kalte
Schneeoberfläche durch die beginnende Erwärmung (wie auch nassen Schneefall
oder Regen) angefeuchtet, wobei es auch zur Bildung einer dünnen Harschschicht
kommen kann.
Je nach dem, ob es warm auf kalt oder umgekehrt
schneit, bildet sich die Schwachschicht unterhalb oder über dem Schmelzharschdeckels.
Bei warm auf kalt bildet sich diese meist
oberhalb des Harschdeckels, da der Wasserdampf nach unten wandert.
Bei kalt auf warm bildet sich die
Schwachschicht meist unterhalb des Harschdeckels, da der Wasserdampf nach oben
wandert.
Grund dafür ist der Dampfdruckunterschied. Dieser ist im eher feuchten, wärmeren Schnee höher als im kalten, trockenen Schnee wodurch der Wasserdampf
von den warmen zu den kalten Schichten wandert (Prozess wie im Gestöber 6 bei
der aufbauenden Umwandung erklärt)
Oft herrscht noch die Meinung vor, dass sich
der kalte Neuschnee schlecht mit dem Harschdeckel verbindet (sich darauf nicht
„halten“ kann), und deshalb auf der Harschschicht abgleitet, was der Grund für
den Anstieg der Lawinengefahr ist. Das
ist aber nicht der Fall, denn bekanntlich braucht es eine Schwachschicht für
eine Schneebrettlawine, und für diese ist der Prozess der aufbauenden
Umwandlung verantwortlich.
Es passiert ein Bruch in der Schwachschicht aus
kantigen Kristallen und das darüber liegende Schneebrett gleitet entweder auf
der kantigen Schicht oberhalb des Harschdeckels ab, oder mitsamt dem
Harschdeckels auf der darunterliegenden Schwachschicht.
Wie kann man es erkennen:
Anhand von Wetterbeobachtungen und
Messstationen kann man den Zeitpunkt einer eventuellen Entstehung eines
Gefahrenmusters 4 bestimmen. Man achtet auf große Temperatursprünge im
Zusammenhang mit Niederschlägen. Die kompetenten Teams des LWD`s haben das
genau im Auge und können durch vorhergehende Wetterereignisse, zig
Schneedeckenuntersuchungen sowie Rückmeldungen der eigenen Beobachter, die
gebildete Schwachschicht recht gut in Exposition und Höhenlage eingrenzen.
Warum ist das Gefahrenmuster 4 so tückisch?
Tückisch ist bei dem gm. 4 dass sich die
Schwachschicht erst in den darauf folgenden Tagen entwickelt (meist 2 Tage) und
nicht sofort ein Anstieg der Lawinengefahr nach dem Niederschlag eintritt. Die
Schwachschicht ist meist großflächig vorhanden und so kann sich ein Bruch gut
ausbreiten.
Es wird also zu einem Altschneeproblem, das im
Gelände nicht ersichtlich ist, außer man wirft einen Blick in die Schneedecke, oder nimmt Setzungsgeräusche oder ähnliches war.
Wir kämpfen also beim gm. 4 mit zwei Problemen, die es uns
erschweren, dem trügerisch sicheren Pulvertraum zu wiederstehen.
Zum einen, dass
die Lawinengefahr nicht direkt nach einem Wetterereignis oder durch äußere
Umstände ansteigt, sondern erst Tage danach, wo man eventuell nicht mehr daran
denkt. Zum anderen, dass es vermehrt in sonnenexponiertem Gelände vorkommt.
Dort ist der Schneedeckenaufbau im Vergleich zu Schattenhängen großteils
günstiger und Wintersportler machen sich dort häufig weniger Gedanken über die
Lawinengefahr.
Lawinenabgänge aufgrund von Schwachschichten aus kantigen Kristallen. |
Ein paar Tage nach dem
Niederschlag herrscht strahlender Sonnenschein, perfekte Pulverhänge und die
Temperaturen sind ideal, so dass sich Triebschnee bereits gut verbinden konnte,
und nur mehr ein kleines Problem darstellt. Es macht den Anschein als stünde
ein perfekter Tourentag vor der Tür. Doch wer sich hier verleiten lässt und
nicht weiß, wo gm. 4 eventuell vorherrscht, für den könnte dieser Tag zum
Verhängnis werden. Wenn man dieses Problem nicht am Schirm hat, wird
man es im Gelände nur sehr schwer erkennen und dadurch das Gefühl von
Sicherheit verspüren. Es ist immer wichtig den Text des Lawinenreportes genau
zu lesen und gegebenenfalls angegebene Expositionen und Höhenbereiche zu berücksichtigen oder gar meiden, was bereits in der Tourenplanung passiert!
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